Sie sank auf die Knie, lehnte den Kopf zurück an seine Schulter. Er hockte jetzt dicht hinter ihr, dass sich ihr Rücken an seine Brust schmiegte. Hauchzart nur waren die Berührungen bis sich seine Hand unter ihre schob und zur Seite drückte. Kraftlos hingen darauf ihre Arme zu beiden Seiten hinab.
Selene glaubte zu zerfließen. Seine Fingerspitzen hatten ihr eigenes, für sie nicht kontrollierbares, Eigenleben. Streichelten ganz sachte, tasteten sich kaum weiter vor und doch ließ er sie in dem Glauben, jeden Moment tiefer vorzudringen.
„Willst du immer noch mehr?“
Bei Allem!! Sein Flüstern bewirkte, dass sich ihr am ganzen Körper die feinen Härchen vor lustvollen Schauern aufstellten. Wie eine Verführung nur mit Worten!
„Ja..“, mehr als diese Silbe brachte Selene nicht heraus. Sondern versuchte ihr Becken stärker gegen seine Finger zu drücken. Als seine Hand sich etwas zurück zog, stöhnte sie enttäuscht auf.
Der Arm, der sich hielt verschwand, dafür wurde ihr Nacken auf betörende Weise gestreichelt.
Entspannt genoss Selene die Zärtlichkeit, verlief sich in ihren eigenen Gedanken, dass sich die Welt um sie für Momente aus der Wirklichkeit entfernte.
Dann blinzelte sie, streckte sich ausgiebig. Gähnend öffnete sie ihre Augen und sah vor sich einen Teil des großen Saales, in dem die Anwesenden sich weiterhin ihren erregenden Spielen hingaben.
Sofort saß sie aufrecht und schaute sich um.
„Habe ich mir doch nur alles eingebildet?“, Selene schüttelte den Kopf. Nein das konnte nicht sein. Oder doch?
Sie lag auf einen der Diwane in einer der äußeren Ecken des Saales. Wie war sie hier her gekommen?
Ganz in Gedanken strich sie über ihre Beine und erschrak. Jetzt schmiegte sich wieder der zarte Stoff ihres eigenen Kleides um ihren Körper.
War sie doch hier eingenickt und hatte gleich zwei Träume nacheinander durchlebt? Träume, die selbst jetzt einen tiefen Aufruhr in ihrem Schoß auslösten.
Sie versuchte darüber nachzudenken, aber lautes Keuchen weckte ihre Aufmerksamkeit.
In einiger Entfernung neben ihr lagen zwei schemenhafte Körper hinter einem Schleiervorhang. Ein Mann zog seine Gespielin auf seinen Schoß, was sie mit einem tiefen Stöhnen unterstrich. Sein Mund sucht nach ihrer Brust, worauf sie sich noch weiter zurück lehnte und aufschrie als seine Hände sie kurz anhoben und er sichtbar langsam in sie eindrang.
Selene wurde es zu heiß. Sie brauchte dringend frische Luft!
Wankend stand sie auf und verließ das Pärchen, dessen Bewegungen deutlich schneller wurden. Doch die Laute der beiden lagen in ihren Ohren, mischten sich mit denen der anderen.
Denn kaum hatte sie die Ecke verlassen, breiteten sich vor ihr wieder andere Männer und Frauen auf Kissen aus. Verspielt am Schmusen oder in hitzigen Liebesakten gefangen. Zu zweit oder auch zu mehreren.
Vorsichtig suchte sich Selene ihren Weg durch die Trauben von ineinander verschlungenen Körpern.
Ihr Schritte führten an einer anderen Nische vorbei. Auch wenn sie dagegen ankämpfte, glitt ihr Blick hinein und sie entdeckte wieder die junge Rothaarige. Sie lag mit geschlossenen Augen auf der Seite, sah aus, als ob sie eingeschlafen wäre. Während derselbe Mann von vorhin hinter ihr saß. Langsam strich seine Hand über ihre Hüfte. Um ihre Mundwinkeln entstand ein Lächeln. Also schlief das junge Mädchen nicht.
Ein Schatten von der Seite gesellte sich hinzu, legte sich daneben und küsste die süßen Lippen, worauf die Rothaarige zwinkernd die Augen öffnete und ihre Arme um den Hals der Gestalt schlang. Es war auch dieselbe Frau. Offenbar hatten die Drei nur eine Pause gebraucht, denn sie fingen erneut an sich zu liebkosen.
Schnell suchte Selene das Weite. Durch eine gläserne Flügeltür ging es auf eine breite Terrasse. Hier Draußen war es noch angenehm warm, auch wenn der schwarze Nachthimmel den jungen Abend längst abgelöst hatte.
Der milde Wind kühlte etwas ihr Gemüt, beruhigte den Sturm in ihrem Leib. Selene lehnte sich gegen eine der Säulen, die das rausragende Dach trugen.
Aus irgendeinem Grund schaut sie noch mal zurück in den Saal. Ihr Blick glitt über das Treiben bis er von anderen Augen gefangen wurde. Sie vergaß fast zu atmen! Dann musste sie überrascht blinzeln. Als sie wieder zu der Stelle sah, war die Person verschwunden. Doch das Bild des fesselnden Blickes schwebte weiter vor ihr. Noch nie in ihrem Leben hatte sie solche Augen gesehen!
Selene fröstelte und rieb sich die Arme.
Langsam ging sie zu einer der steinernen Treppen, die hinunter in den weiten Garten führten.
Von der Terrasse aus konnte man das feine Muster der weisen Kieswege sehen, die sich zwischen den verschiedensten Buschen und Bäumen schlängelten. Manchmal sogar hinter dichten Hecken verschwanden.
Die Bewegung würde ihr gut tun, doch blieb sie nicht lange auf einem der Wege. Das weiche Gras der Wiese war angenehmer unter ihren nackten Füssen. Selene schlenderte weiter, kam durch ein kleines Wäldchen auf eine Lichtung. Durch das Mondlicht schimmerte alles in einem leichten, bläulichen Ton. Aber das was ihre Aufmerksamkeit bannte war die Statue in der Mitte. Sie zeigte ein nacktes Paar in leidenschaftlicher Umarmung miteinander verbunden. Die abgebildete Frau hielt sich an dem Mann fest und ihr linkes Bein lag um seine Hüfte, während seine Lippen ihre Brüste küssten. Um die Körper selber rankten sich einige Zweige der Rosensträucher zu ihren Füssen.
Dunkle, große Blüten verströmten einen süßen, rauschähnlichen Duft.
Selene blinzelte wieder. Hatte sich die Statue eben bewegt oder spielten ihre Sinne ihr einen Streich?
Unsicher ging sie näher heran und berührte die Figuren. Doch sie fühlte nur kühlen Stein, kein warmes Fleisch. Verwundert verließ Selene die Lichtung und tauchte wieder in den Schatten des Wäldchens ab. Nach einiger Zeit sickerte erneut mehr Mondlicht durch die Wipfel und der Weg wurde breiter.
Es war eine weitere kleine Lichtung. Hier plätscherte aus einer kleinen Fontäne Wasser in ein rundes Steinbecken. Der Rand war breit genug um sich darauf setzen zu können. Ein wunderschöner Ort!
Auch hier lag der Duft der Rosen in der Luft. Aber noch beherrschte die Unruhe ihren Geist, dass ihr nicht der Sinn nach einer kleinen Rast war. Begleitet vom betörenden Duft folgte Selene einem kleinen Pfad, der sich geheimnisvoll um einige, dichte Büsche wand.
Er endete auf einer freien Wiese, die übersäht war mit weißen Blumen und wieder einer Statue.
Diese zeigte auch ein Paar, doch stand die Frau mit dem Rücken zum Mann. Seine Hand war erhoben als wollte er sich jeden Augenblick auf ihre Schulter legen und zu sich umdrehen.
Gespenstisch lebendig wirkten die beiden in dem Mondlicht. So lebendig, dass ihr der Schatten hinter der Statue erst später auffiel. Hinter dem Paar trat eine große Gestalt hervor, mit einem dunkelblauen kaftanähnlichem Gewand bekleidet. Dunkles, längeres Haar tanzte in der aufkommenden Brise. Nur das Gesicht blieb geheimnisvoll verborgen.
Nach dem ersten Schrecken, lächelte Selene, weil ihr einfiel wie abgeschirmt dieser Ort gegenüber Uneingeladenen war.
Höflich begrüßte sie den Fremden, doch er antwortete nicht. Vielmehr kam er langsam auf sie zu. Unsicher legte Selene den Kopf in den Nacken. Er überragte sie im fast dreieinhalbe Hände. Ein sehr großgewachsener Mann.
Noch einmal sprach sie ihn an, doch er antwortete wieder nicht, umrundete sie stattdessen wie eine Beute. Selene wurde mulmig zu mute.
So schweigsam und unheimlich machte er ihr Angst. Sie versuchte ihm ins Gesicht zu blicken, doch ständig drehte er sich schneller, das es immer wieder im Schatten lag.
Plötzlich schrie irgendwo in der Ferne ein Vogel auf und der Fremde sah augenblicklich in die Richtung. Die Gunst nutze Selene sofort und floh zurück in das Wäldchen.
Hastig rannte sie den Pfad zurück, ungeachtet ob er ihre Flucht bemerkt hatte oder nicht!
Außer Atem schaute sie über die Schulter als sie meinte ein Prickeln im Nacken zu spüren und stieß im selben Moment mit jemanden zusammen.
Selene schrie auf und wehrte sich gegen die Hände, die nach ihren Oberarmen griffen.
„Ruhig ganz ruhig..“
Bis die Stimme durch ihre wirren Gedanken drang, dauerte es. Aber genauso lange wurde sie festgehalten. Schließlich lockerte sich ihre verkrampfte Haltung.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Mit Tränen in den Augen schaute Selene in das Gesicht und ihre Augen weiteten sich.
Nein! Das konnte nicht sein!
Vor ihr stand die Frau mit dem dunkelgrünen Gewand! Jene aus ihrem ersten Traum, obwohl Traum?
„Du bist ja vollkommen verängstigt! Komm Kleines, setz dich und erzähl uns was passiert ist!“
Lächelnd legte die Frau ihren Arm um Selenes Schultern und führte sie zu dem Brunnen, wo sie sich setzten.
Uns?
„Valara! Was ist geschehen? Und wer hat hier so panisch geschrieen?“
Aus dem Dunklen kam ein Mann gelaufen mit honigfarbenen Haar. Selene wurde noch blasser!
Auch er war hier? Der Mann, der sie angefangen hatte zu verführen als sie sich ausruhen wollte. Verlor sie jetzt den Verstand?
„Mir geht es gut, Vasja. Nur die Kleine hier war völlig außer sich! Sie kam den Pfad entlang gehetzt wie auf der Flucht!“
Bei den Worten strich die Hand sanft über Selenes Schultern. Beide Augenpaare musterten sie jetzt fragend.
Doch sie brachte kein Wort hervor. Zu sehr zitterte ihr Körper.
„Beruhige dich! Du bist hier sicher. Sag Kleines, wie heißt du?“, sprach diese Valara sie an.
„Se...Selene...“, kam es dann doch stockend über ihre Lippen.
„Selene, was hat dir solch eine Angst eingeflösst?“
Dieses Mal hatte der Mann, wie hieß er noch mal... ahja Vasja, die Frage gestellt. Er hatte sich zu ihren Füssen gehockt und sah forschend in ihr Gesicht.
Sie holte ein paar mal tief Atem, die Furcht verblasste. Vielleicht lag es an der Ruhe, welche die beiden ausstrahlten.
„Ich... ich bin spazieren gegangen. Ich brauchte etwas Ruhe und frische Luft nach... egal. Hinten auf der Wiese war jemand, aber er hat kein Wort gesprochen oder auf meine Fragen geantwortet...“ Selene schluckte und sah wieder in die Richtung. Aber nichts regte sich.
„Da hat dir jemand einen Streich gespielt! Bestimmt geschah es nicht in böser Absicht!“
Sie sah zu Vasja, der sie nach dem Satz charmant anlächelte und seine Hand auf ihre verkrampften Finger legte. Selene zuckte zurück.
Der Blick, den er und Valara austauschten, als sie wieder zu Boden schaute, entging ihr völlig!
Die ganze Nacht wirkte wie ein bunter, verwirrender Traum. Bestimmt würde sie bald aufwachen und dann nur noch den Kopf über die ganzen Geschehnisse schütteln.
„Das Beste wird sein, du legst dich schlafen Selene. Komm mit uns! In unserem Zimmer haben wir noch genug Platz für dich.“
Erst wollte sie verneinen. Aber die Müdigkeit, die sich auf ihre Schultern legte, änderte ihre Meinung und so stimmte sie zu.
Valara ließ sie nicht los, auch nicht als sie durch den Garten zurück auf die Terrasse kehrten. Und Vasja ging an ihrer anderen Seite.
Nach der Treppe hielten sie sich links, vorbei an den Flügeltüren zum großen Saal, durch eine andere Tür in einen breiten Flur. Teppiche dämpften ihre Schritte und die Fackeln verbreiteten ein angenehmes Licht. Sie stiegen eine weitere, längere Treppe empor.
Nach ein paar weiteren Abbiegungen ging Vasja etwas vor und öffnete eine Tür. Der Raum war erfüllt von einer angenehmen Wärme, die von einem kleinen Kamin ausging. Valara deutete auf einen breiten Diwan. Folgsam setzte sich Selene, streckte sich dann aus und war schon halb eingeschlafen als etwas sich über ihren Körper legte.
Erschrocken fuhr sie hoch, wurde aber sogleich sanft zurück gedrängt. Es war nur eine Decke gewesen, die Valara über sie ausgebreitet hatte. Lächelnd setzte sich die Frau zu ihr.
„Schlaf jetzt Selene. Morgen sieht alles schon wieder anders aus. Und wenn etwas sein sollte oder du schlecht träumst, wir sind im Nebenzimmer.“
Ihr Finger deutete auf den Vorhang, der den Raum teilte.
„Danke.“, murmelte Selene noch ehe ihr die Augen zu fielen...